10. Dezember

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Silberflügels Nacht

Von Sebastian Steffens
Gesprochen von Dominik Bickel

In der weiten, frostigen Weite des winterlichen Himmels tanzte eine kleine, einzigartige Schneeflocke namens Silberflügel in der Nacht. Alles hatte mit einem winzigen Staubkorn begonnen, das übermütig in eine Wolke gesegelt war. Wasserdampf hatte sich neugierig dem Staubkorn genähert und mikroskopische Eiskristalle an ihm gebildet. Das war Silberflügels Geburtsstunde. Die Schneeflocke wuchs schnell und bildete eine einzigartige sechseckige Form, auf die sie stolz war. Um sie herum wurden Brüder und Schwestern geboren, Alle tanzten in der Wolke, bis die ersten so viel Eis gesammelt hatten, dass sie dafür zu schwer wurden.
»Oh nein, ich falle!«, rief Flocon, eine Plus-Size Flocke, deren Fall als erste begann.
»Wir sehen uns unten«, rief Silberflügel ihr nach, aber da war Flocon schon entschwebt.
Die anderen begannen zu tuscheln. Was würde sie erwarten? Sie alle wurden schwerer und eine nach der anderen segelten sie nach unten. Die meisten versuchten noch, sich an den Wasserdampf zu klammern, aber das führte nur zu noch mehr Eiskristallen und sie fielen um so schneller. Angst griff um sich.
Aber Silberflügel war keine gewöhnliche Schneeflocke. Sie träumte davon, die Welt zu erkunden. Heute war ihr großer Tag, es war ihr einziger Tag, und sie wusste das nur zu gut. Sie musste ihn nutzen! Wir können nicht entscheiden, wieviel Zeit wir haben, wir können nur entscheiden, was wir mit ihr anfangen, dachte sie, als sie den Rand der Wolke hinter sich ließ.
Silberflügel schwebte sanft durch die kalte Luft, über sich durch eine Wolkenlücke erkennbar die funkelnden Sterne, unter sich die bunten Lichter eines Weihnachtsmarktes, der gerade zum Leben erwachte. Die Stände waren voller glitzernder Dekorationen, und die Luft war erfüllt vom Duft von gebrannten Mandeln und heißem Glühwein. Das Leben war schön. Silberflügel spürte, dass sie genau zu diesem Bild passte, dass es ihre Bestimmung war. Plötzlich bemerkte sie, dass sie direkt auf einen dampfenden Becher Glühwein zusteuerte. Sie spürte die Hitze, die von dem Getränk aufstieg. Oh nein, das wird ein schnelles Ende, dachte sie besorgt. Doch im letzten Moment wehte eine sanfte Brise, und Silberflügel landete stattdessen auf der kalten Nase eines kleinen Jungen, der mit großen Augen den Weihnachtsmarkt bestaunte.
Der Junge kicherte und pustete Silberflügel sanft in die Luft zurück. »Auf Wiedersehen, kleine Flocke!«, rief er fröhlich. Silberflügel, nun wieder in der Luft, tanzte vergnügt zwischen ihren Geschwistern. 
»Hallo Flocon! Ich wusste, wir sehen uns wieder«, rief sie begeistert, als sie an einer großen Schneeflocke vorbeischwebte, die sich auf einem Tannenbau niedergelassen hatte. Flocon winkte ihr zu und Silberflügel war glücklich. Sie hatte den warmen Glühwein überlebt und einem kleinen Jungen ein Lächeln geschenkt. Jede Schneeflocke mag vergänglich sein, aber die Freude, die wir bringen, bleibt für immer im Herzen der Menschen, war ihr letzter Gedanke, bevor sie nach einer langen Reise auf dem Boden ankam, seufzte und schmolz.