15. Dezember

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Ein Adventskranz für Mama

Von Frank Hammerschmidt
Gesprochen von Alexandra Begau

Jennifer war begeistert über den schön gedeckten Tisch. Ihre Freundin Leonie hatte sie zu sich nach Hause eingeladen. Neben dem leckeren Kuchen dominierte ein Gesteck mit drei entzündeten Adventskerzen den Tisch. Das 13-jährige Mädchen musste wirklich sehr lange zurückdenken zu dem Tag, als es in ihrer Familie einen Adventskranz gegeben hatte. Sie war vielleicht sieben oder acht gewesen, ihr kleiner Bruder Theo konnte da erst seit einigen Monaten laufen. Inzwischen waren ihr Vater und ihre Mutter geschieden und sie verbrachten nur noch ein Wochenende im Monat bei ihrem Vater. 
    Als sie nach Hause kam, war es wie immer. Ihre Mutter lag müde auf der Couch, während Theo an der Playstation zockte. Natürlich irgendso ein Ballerspiel. Ihre Mutter hatte es aufgegeben, ihm das verbieten zu wollen, zumal Jennifers Vater ihm das Spiel geschenkt hatte.
»Wieso haben wir eigentlich kein Adventsgesteck, Mama? Leonies Eltern haben so ein schönes auf dem Küchentisch stehen.«
»Du weißt doch, dass meine Kollegin wieder mal ausgefallen ist und ich dadurch massig Überstunden machen muss. Da habe ich für so etwas einfach keine Zeit mehr. War es denn schön bei Deiner Freundin?«
»Ja«, antwortete sie. »Und es gab leckeren Kuchen.«
Aber ihre Mutter war bereits wieder eingeschlafen. Sie kannte das bereits. Durch ihre Arbeit in einem Altenheim musste sie oft Überstunden machen und war danach geschafft.
Montag. An diesem Tag ging sie nach der Schule noch in ein Blumengeschäft. Sie hatte beschlossen, selber einen Adventskranz zu kaufen. Jennifer fand einen in dem Laden, doch die Preise überstiegen ihr Taschengeld bei weitem. Natürlich hätte sie ihren Vater anpumpen können, aber das wollte sie nicht. Also sprach sie am Abend mit ihrem kleinen Bruder.
»Ich soll mein Sparschwein schlachten?«, rief Theo entsetzt.
»Es soll ja nicht für mich sein, sondern für Mama. Ich habe dir doch gerade erklärt, worum es geht.«
»Aber ich spare doch auf ein neues Game.«
»Vielleicht bekommst du ja noch ein Spiel vom Christkind?«
»Ich bin doch kein Baby mehr. Du glaubst wohl auch noch an den Klapperstorch«, machte sich ihr kleiner Bruder über sie lustig.
»Also was ist jetzt?«
»Also gut. Für Mama mache ich das!«
Theo bestand darauf, dass sein Sparschwein nicht zu schaden kommen sollte, und da er keinen Schlüssel für die untere Klappe des Porzellanschweins besaß, verbrachten sie einige Zeit damit mit einer Büroklammer und einer Pinzette die Münzen und die Scheine aus dem schmalen Schlitz zu ziehen. Schließlich hatten sie 37,- Euro und zwanzig Cent zusammen.
An einem der letzten Schultage wurden meistens nur Filme geguckt, heute ein Weihnachtsfilm mit Arnold Schwarzenegger, der seinem kleinen Sohn ein besonders tolles Geschenk zu Weihnachten besorgen wollte. Es war schön zu sehen, was ein Vater alles anstellte, um seinem Sohn eine Freude machen zu können.
Auf dem Nachhauseweg ging sie in den kleinen Blumenladen. Der Kranz, den sie gestern gesehen hatte, war tatsächlich noch im Preis herabgesetzt worden, da der vierte Advent vor der Tür stand. So ein Glück. Sie bemerkte, wie sie ein Junge beobachtete, der etwas entfernt hinter einigen Gummibäumen stand. Sie kannte den Jungen, es war Kevin aus der Parallel-Klasse. Er war bereits 15 und mindestens einmal hängengeblieben, vielleicht sogar zweimal, das wusste sie nicht so genau. Er war ein gemeiner Rüpel, der gerne die Kleineren ärgerte. Jennifer bezahlte schnell den Adventskranz, dann huschte sie aus dem Laden.
Jennifer freute sich über ihr Schnäppchen. Nun reichte das Geld sogar noch für einen kleinen Kuchen.
   »Jennifer.« Ein Junge hatte ihren Namen gerufen. Sie blickte sich kurz um und sah Kevin vor dem Laden. Er trug einen Hoodie mit irgendwelchen Totenköpfen vorne drauf und einen Schriftzug, den sie nicht entziffern konnte. Was wollte er wohl von ihr? Sie ging schneller, bemerkte aber rasch, dass er sie verfolgte. Sie bog hinter einem Haus ab und rannte zu einem Spielplatz auf der anderen Straßenseite und versteckte sich in einem Spielgerät, das aus lauter verschiedenfarbigen Röhren bestand. Jennifer hielt die Luft an. Sie hörte die Schritte von Kevin im Sand.
»Jennifer, wo hast du dich versteckt?«, rief der Junge.
So einfach bekam er sie nicht, dachte sie sich. Der wollte sie wahrscheinlich auch ärgern, ihr vielleicht den Kranz für Mama wegnehmen oder kaputt machen.
»Ich habe hier deine Geldbörse!«, hörte sie ihn. »Die hast Du im Blumenladen vergessen. Der gehört meiner Mutter, weißt du.«
Jennifer schlug sich gegen die Stirn und kletterte dann umständlich aus dem Röhrensystem hinaus.
»Bist du nicht schon ein bisschen zu alt, um auf dem Spielplatz rumzuklettern?«, fragte Kevin und grinste.
»Geht dich nichts an«, sagte sie ärgerlich, dann aber wurde ihr Tonfall freundlicher, als er ihr die Geldbörse hinhielt. »Danke, das ist lieb von Dir.«
»Klar, hab ich gerne gemacht. Bis morgen in der Schule«, sagte er.
»Ja, bis morgen, Kevin.«
Jennifer überlegte den Rest des Rückweges, wie man sich doch in einem Menschen täuschen konnte, wenn man sich nur auf Gerüchte verließ. Eigentlich war der Junge ja doch ganz nett.
   
Die letzten Tage bis zum vierten Advent zogen sich. Am Samstag, ihre Mutter musste natürlich im Heim arbeiten, besorgte sie einen kleinen Kuchen im Supermarkt, nichts besonderes, einen Zitronenkuchen mit Zuckerguss, den sie am Sonntag neben dem Kranz auf den Küchentisch stellte. Als ihre Mutter schließlich gegen Mittag aufstand, saßen Jennifer und ihr Bruder Theo bereits am Tisch, den sie hübsch geschmückt hatten. Jennifer hatte die vier Kerzen angezündet und beobachtete jetzt genau die kleinste Regung im Gesicht ihrer Mutter.
»Jennifer, Theo, habt ihr das etwa allein gemacht?«
»Schönen vierten Advent, Mama«, sagten sie fast gleichzeitig. Freudentränen rannen ihrer Mutter durch das Gesicht, die sie schnell wegwischte.
»Ihr wisst gar nicht, was für eine Freude ihr mir damit gemacht habt, meine beiden.«
Sie umarmte ihre Kinder. Die Überraschung war wirklich gelungen und Jennifer war zufrieden mit sich und ihrem Bruder. Dieser Tag würde noch lange in Erinnerung bleiben.