21. Dezember

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Weihnachtszauber - Teil 1

Von Nicole Steiner
Gesprochen von Convin Splettsen

Es ist Dezember, ich laufe durch die Straßen und bestaune das Geschehen. Die Menschen rennen nervös durch die Läden, in der Hoffnung auf die letzte Sekunde noch ein Geschenk zu kriegen. Ich belächel sie, diese Menschen, die nicht begreifen, dass es um das Zusammensein geht, nicht um ein teures Geschenk. Der Vater, der sich das ganze Jahr nicht blicken lässt, um dann, an Weihnachten, mit einer neuen Konsole vor der Tür zu stehen. Das Kind, das sich das ganze Jahr nicht meldet, um dann Weihnachten heimzukehren. Was denken diese Menschen, wie sie ihr Gegenüber am meisten erfreuen? Sie wissen nicht, dass es das Wiedersehen ist.  
Doch wer bin ich, dass ich mir ein Urteil über diese Menschen erlaube? 
Ich gehe weiter, der Geruch von Mandeln steigt in meine Nase und ich freue mich, denn dieser Geruch ruft in mir das Gefühl von zuhause, Familie und Zusammenhalt hervor. Dieses Mal steigen mir die Tränen beim Näherkommen, jedoch nicht vor Freude, in die Augen. Ich passiere die hohen Betonklötze, die den Weihnachtsmarkt schützen sollen, bleibe vor dem Denkmal der Unzähligen stehen. Unzählige unschuldige Opfer, die nur einen Spaziergang über den Weihnachtsmarkt machen wollten. Dann wurden sie für immer von uns gerissen, durch die Wut und Verzweiflung eines anderen Menschen der seine Meinung mit einem Lastkraftwagen durchsetze und sich so Gehör verschaffte. Ich sehe auch seine Eltern, die in den Augen vieler ihre Erlaubnis zu trauern durch die Tat ihres Sohnes verwehrt haben, doch haben auch sie ein Kind verloren.  
Doch wer bin ich, dass ich mir ein Urteil über diese Menschen erlaube? 
Ich gleite durch die Menschen hindurch, zu einem anderen Weihnachtsmarkt. 
Die Menschen sind glücklich und scherzen, trinken ihren Glühwein, sich nicht bewusst, dass er vergiftet ist. Plötzlich brechen die ersten zusammen, Panik bricht aus. Der Charme des Weihnachtsmarktes wird überschattet. Hektik und Schreie drängen ihn zurück. Hilfe eilt herbei und die Menschen flüchten nach Hause. Der Schuldige wird gesucht, als würde das Finden den Schaden begrenzen. Jemand muss dafür zur Rechenschaft gezogen werden, sonst herrscht kein Frieden.  
Doch wer bin ich, dass ich mir ein Urteil über diese Menschen erlaube? 
Leise gehe ich weiter, auf einen Markt voll Freude und Genuss. Betrachte die Menschen um mich herum, ahnungslos und frei genießen sie die Weihnachtszeit. Plötzlich ertönen erneute Schreie, doch bricht niemand zusammen. Eine Frau hält sich verzweifelt die Hände an den Hals. Es ist keine köstliche gebrannte Mandel, die ihr den Atem raubt; ein weißes Plastikband bindet ihr die Luft ab. Heimlich um den Hals gelegt und zugezogen ist der Kabelbinder angebracht und vernichtet jeglichen Gedanken an Vernunft. Eine Schere ist schnell gefunden. Sie bringt ihr die Luft zurück. Unfassbarkeit leert den Weihnachtsmarkt und zurück bleibt ein Schrecken, getränkt mit Glück. Vielleicht hätte mehr Achtsamkeit aufeinander dieses Unglück verhindert? 
Doch wer bin ich, dass ich mir ein Urteil über diese Menschen erlaube? 
Die Hoffnung auf ein schönes Erlebnis treibt mich weiter, zieht mich hinfort, zu einem neuen Ort. Die Menschen lachen und sind fröhlich, eine Mutter, die ihrem Kind ein paar Nüsse reicht. Das Kind, das plötzlich wird kreidebleich. Nicht die Nuss ist es, sondern das Gift in der Glasur. Die Mutter ist verzweifelt, schreit und fleht, Menschen die weitergehen. Ein Arzt, der zur Hilfe eilt. Ein Einziger von Tausenden. Hätten nicht mehr Menschen betroffen sein sollen? 
Doch wer bin ich, dass ich mir ein Urteil über diese Menschen erlaube? 
Ist der Mensch so weit, dass es ihn nur noch interessiert, wenn es ihn selbst betrifft? 
Gibt es keinen Zusammenhalt mehr? Sie gehen doch alle gemeinsam aus denselben Gründen auf diese Märkte, haben dieselben Vorlieben. Sollte das nicht genügen? 
Doch wer bin ich, dass ich mir ein Urteil über diese Menschen erlaube? 
Fassungslos und betrübt wende ich mich ab, gehe weiter durch die Straßen. Die Lichterketten erleuchten den Weg, kein Mensch, der den alten Mann sieht. 
Zusammengekauert liegt er da, auf einer Zeitung mit einem Pappbecher, neben sich die warme Lüftung des Geschäfts. Die Verkäufer wollen ihn jedoch nicht. Sein Geld ist knapp, reicht gerade für das Essen, für diese Nacht.  
Der Schnee, so schön weiß und leise, benetzt die Welt. Trübt die Heiligkeit, die hier keiner erhält. 
Der Mann rollt sich ein, versucht etwas wärmer zu sein, als der Schnee der ihn umgibt. Das Einzige, das ihm die Menschheit gewährt, sind entsetzte Blicke. Sein Anblick ist nicht schön, kann er nicht woanders hingehen? 
Doch wer bin ich, dass ich mir ein Urteil über diese Menschen erlaube?