5. Dezember
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Wiederkehr?
Von Bettina Barkhoven
Gesprochen von Karsten Wolf
Es ist Herbst, unverkennbar. Spätherbst. An den Bäumen hängen nur noch wenige, unansehnliche Blätter, der Wind geht stärker, nachts ist es schon kälter. Tagsüber auch, aber die Sonne scheint noch kräftig vom fast wolkenlosen Himmel. Gegen das Blau leuchten gelborange und zittrig die Blätter der Birke. Sie will sich noch nicht trennen.
Ich knöpfe meine Jacke zu, wickle den Schal enger. Wind schlägt Sonne für wenige Sekunden.
Kraniche! Früher war es eine Sensation, wenn sie über die Stadt zogen. Sie kündeten vom noch nicht verlorenen Kampf gegen das Vogelsterben. Heutzutage legen sie mehrmals im Herbst nur kurze Strecken zurück. Das Ziehen haben sie aufgegeben. Warum sollten sie auch? Es ist hier warm genug. Nun künden sie vom verlorenen Kampf gegen den Klimawandel.
Ungeduldig, aber auch unsicher suche ich das Ende der Straße ab. Von hier werden sie kommen, die beiden. Ob er es ist? Und wenn ja: Wird es jemals wieder wie zuvor? Noch ist niemand zu sehen.
Mein Blick fällt auf die Kastanien. Ob ich eine aufhebe? Früher hatten sie für mich einen Wert wie die Goldtaler für Onkel Dagobert. Schwimmen gewollt hätte ich in ihnen, so wunderbar weich, sanft, glänzend und fein marmoriert, wie sie sind. Kastanien sehen aus wie die feinste Schreinerarbeit, die man sich vorstellen kann.
Ich möchte eine aufheben, doch die einen sind schon stumpf und hell, die anderen tragen Schrammen oder Risse. Nicht eine einzige ist noch ohne Makel. Es ist zu spät im Jahr. Früher wartete ich darauf, dass sie fielen. Alle Kinder machten das. Heute sind sie den Kindern egal und die zermatschten Überreste den Anwohnern ein Ärgernis.
Jetzt biegt jemand in die Straße, mein Herz schlägt schneller – doch derjenige kommt allein. Er ist es nicht.
Was, wenn es nicht gut verläuft? Gehen sie zusammen wieder weg? Die Vorstellung ist mir unerträglich - aber ich muss mit dieser Möglichkeit leben.
Als er zu mir kam, war er jung, unerfahren und zutiefst verunsichert. Es dauerte, bis er sich mir öffnete. Keine Angst mehr hatte, Selbstvertrauen fasste. Wir waren unzertrennlich. Immer füreinander da. Dann geschah das Unglück, eine Woche nach Silvester vor zwei Jahren. Eine Gruppe Kinder an der Schwelle zu Jugendlichen, wagemutig, aber unbedarft. Der Böller viel zu nah, die Leine zu locker gehalten. Tage, Wochen, Monate der Angst. Die schmerzhafte Erkenntnis, dass er vermutlich nicht mehr lebt.
Vor zwei Tagen ein Anruf aus Belgien. Jemand sprach Deutsch mit französischem Akzent. Ein kleiner, abgemagerter Hund sei in seinem Dorf aufgetaucht. Eingeschüchtert, aber zahm. Der Tierarzt habe den Chip ausgelesen.
Jetzt sehe ich wieder jemanden am Ende der Straße. Das Fellknäuel erkenne ich Sekunden später. Es trabt an seiner Seite, schaut ihn an. Ich winke verhalten. Der Mann winkt zurück. Nun bemerkt mich auch Lumpi. Er hält kurz inne, verengt die Augen. Trabt dann weiter.
Als die beiden mich erreicht haben, schnuppert er nur kurz an mir und dann wissen wir beide: Er ist wieder da.