7. Dezember
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Weihnachtszauber
Von Sabine Reifenstahl
Gesprochen von Hannah Rathke
Kurz vor Weihnachten fuhr Magnus mit seiner Nichte auf den Adventsmarkt.
Er parkte auf dem Großraumparkplatz nahe der Innenstadt, kontrollierte, ob der Ring, der den Vampir vor den verheerenden Folgen des Tageslichts schützte, sicher auf seinem Finger steckte, und stieg aus.
Vor Ungeduld zappelte das Mädchen im Kindersitz.
»Was sollst du sagen, wenn jemand fragt?«
»Ich bin deine Nichte und vier Jahre alt.«
»Und?«
»Kein Wandelwolf, sondern ein Mensch.«
»Fein, vergiss es nicht.« Lächelnd befreite er das Kind.
»Da ist Tante Lissa«, rief Enid und zerrte ihn zu der rothaarigen jungen Frau.
Sie hob die Kleine hoch. »Du bist ja schon wieder gewachsen. – Grüß dich Magnus.« Melissa hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Die süße Parfümwolke verbarg ihr wolfswandlertypisches Eau de Nasser Hund halbwegs. »Ich freue mich über die Einladung.«
»Ich umso mehr, dass du sie angenommen hast. Du siehst bezaubernd aus, die Schwangerschaft steht dir.«
»Dann zeig das bitte und schenk uns ein Lächeln, das wird spaßig.«
Enid zappelte, bis sie abgesetzt wurde, und dirigierte sie zum Weihnachtsmarkt. »Da ist ein Karussell!«
»Langsam, Schätzchen, du reißt uns die Arme aus!« Aufmerksam musterte Melissa die Weihnachtsmarktbesucher, blähte die Nasenlöcher auf und witterte. »Willst du ein Pferdchen reiten oder in der Feuerwehr fahren?«
»Lieber das Pferd!«
»Das mochte ich früher auch.«
Enid legte den Kopf schief und lauschte. »Was …?«, rief sie und zog wie wild.
»Wohin willst du?«, erkundigte sich Magnus.
»Hör doch!« Das Mädchen schleifte sie zu einer Frau, die einen ungefähr sechsjährigen Knaben tröstete, und fragte: »Warum weinst du?«
»Wolltest du nicht aufs Karussell?«, versuchte Melissa ihre Nichte abzulenken. »Entschuldigen Sie die Störung.«
»Mein Hund ist weg«, antwortete der Junge und wischte sich mit einem Fäustling übers Gesicht. »Es gab einen Knall, da hat sich Ajax losgerissen und ist abgehauen.«
»Wir finden ihn. Das können wir doch, oder Tante Lissa?«
Bei Enids Angebot zuckte Magnus zusammen. Sie mussten sich unauffällig verhalten, niemand durfte von ihnen erfahren.
»Aber ja.« Melissa atmete geräuschvoll ein, Enid gleichfalls.
Ging es noch auffälliger? Menschen schnüffelten nicht so herum. »Wie sieht denn Ajax aus?«, erkundigte er sich.
Als ihm die Fremde ein Foto von einem weißen Hündchen zeigte, rollte er heimlich mit den Augen. Ajax klang nach einem imposanten Tier, nicht nach einer Fußhupe.
Ungeduldig zog Enid ihn in eine Richtung, ihre Tante nickte bestätigend, und dem Vampir blieb nur, ihnen hinterher zu trotten.
»Da!« Das Mädchen wollte losstürmen, Melissa hielt es jedoch zurück. »Ruhig, du willst den Hund doch nicht erschrecken. Er kann riechen, was du bist.« Mit dem Kopf deutete sie auf die parkenden Autos in der Nebenstraße. »Versuch, ob du ihn anlocken kannst, Magnus, bevor er unter die Räder kommt.«
Selbstverständlich verdonnerte sie den Einzigen dazu, auf allen vieren herumzukriechen, der sich nicht in einen Wolf verwandeln konnte. Pflichtschuldig machte er sich für Melissa zum Deppen, um das Fellknäuel zu retten.
Es kauerte unter einem SUV.
»Ajax, hier!«, befahl er in der Annahme, es würde wie seine Hündin Arie gehorchen.
Das Hündchen winselte herzerweichend.
»Ajax, komm zu mir.« Diesmal sprach er sanft wie zu einem Kleinkind. »Komm schon, mein Süßer.«
Auf dem Bauch krabbelte der Malteser näher und schnüffelte an der ausgestreckten Hand.
»Ich tue dir nichts.« Vorsichtig griff Magnus nach dem Halsband, nahm das zitternde Tierchen auf den Arm und steckte es unter die Jacke.
»Hey, gut gemacht«, lobte Melissa lächelnd. »Du bist nicht nur ein Wolfsversteher, sondern auch ein Hundeflüsterer.«
»Darf ich Ajax streicheln?«, fragte Enid.
»Lieber nicht, Hunde fürchten Wölfe.«
»Unsere Hündin hat keine Angst.«
»Die lebt mit euch unter einem Dach, das ist etwas anderes. Lass uns das Herrchen suchen. Pass auf, was gleich passiert.« Winkend rief Melissa: »Hier!«
Als der Junge bei ihnen ankam, reichte ihm Magnus den Hundewinzling.
»Ajax, mein Lieber.« Das Kind drückte seinen Vierbeiner an die Brust. »Vielen Dank«, sagte es mit Tränen in den Augen und schluchzte.
»Nicht weinen«, bat Enid. »Ich dachte, du würdest dich freuen.«
»Das machen Menschen auch, wenn sie glücklich sind«, flüsterte Magnus.
»Menschen sind komisch«, wisperte sie genauso leise. »Wollen wir zusammen Karussell fahren?«
»Das ist eine nette Idee«, versetzte die Mutter. »So können wir uns bedanken.« Sie holte Eintrittskarten für die Kinder. Gleich darauf spornten sie einmütig ihre Holzpferde an.
Ehe sich Magnus versah, wurde ihm eine Tasse mit dampfendem Glühwein in die Hand gedrückt.
»Ich weiß nicht, was ich ohne Ihre Hilfe gemacht hätte.«
»Gern geschehen«, antwortete Melissa und nippte an ihrem Heißgetränk.
»Sonst lässt sich Ajax nie von Fremden anfassen. Tiere spüren, wenn jemand ein guter Mensch ist.«
Bei den Worten zuckte er unmerklich zusammen.
Ein amüsiertes Schnauben erklang. »So was von einem guten Menschen«, versetzte die rothaarige Wandelwölfin.
»Hunde mögen mich«, erwiderte er und tat, als nähme er einen Schluck. »Schön zu sehen, wie viel Spaß die Kinder haben. Enid hat nur wenige Freunde hier.«
»Das lässt sich bestimmt ändern. Ihre Tochter ist ein liebenswertes Mädchen und hat Glück, Eltern wie Sie beide zu haben.«
Melissa hakte sich bei Magnus ein und antwortete grinsend: »Wir sind auch sehr glücklich, nicht wahr, Schatz?«
Dieses Mal verdrehte er offen die Augen, wagte jedoch nicht, den Irrtum richtigzustellen. Schatz?
Als Mutter und Sohn sich verabschiedet hatten, tätschelte sie seinen Arm. »Sie hat recht, du bist gut, obwohl du kein Mensch bist.«
»Das war nicht mein Verdienst, sondern eurer. Ihr habt Ajax gefunden.«
»Und wenn schon, sei nicht so bescheiden. Enid hat wirklich Glück.« Lächelnd legte sie eine Hand flach auf seine Brust. »Ich hätte gewettet, da rumpelt ein riesiges Herz.«
»Das hat seine Dienste vor Jahrhunderten eingestellt.«
»Darauf kommt es nicht an. – Ich möchte dich um etwas bitten.«
»Worum?«, erkundigte er sich misstrauisch.
Sie strich sich über den gewölbten Bauch. »Willst du der Patenonkel meines Kindes werden?«
»Du möchtest, dass ich deinen Welpen hüte?« Die Idee zupfte an seinen Mundwinkeln. »Es wäre mir eine Ehre. Sehr gern.«
Melissa atmete auf, als hätte sie eine Absage befürchtet. »Ich könnte mir keinen Besseren dafür vorstellen.« Zwinkernd setzte sie hinzu: »Das Lächeln steht dir übrigens. Macht dich tausend Jahre jünger.«