8. Dezember

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Gemeinsam einsam

Von Sam Winters
Gesprochen von Lisa Cardinale

Normalerweise saß Katja bei den kalten Temperaturen in ihrem warmen Wohnzimmer und beobachtete die Nachbarn durch ihr Fenster. Ihren sechzig Jahre alten Knochen machte die Kälte immer etwas zu schaffen, dennoch liebte sie es, den Kindern beim Toben im Schnee zuzusehen. Mackie, der seit vielen Jahren ihr Schatten war, verstand das so gar nicht. Allerdings saß Katja dieses Jahr aus noch einem weiteren Grund, in einer warmen Wolldecke eingewickelt, auf ihrer Terrasse. 
Der Grund waren Tom und Jana. Der junge Vater war vor wenigen Wochen mit seiner Tochter in ihre Straße gezogen. Jedes Haus war geschmückt, nur das von den zwei Neuankömmlingen nicht, was sie aber bei den Umständen nicht wunderte. Tom hatte erst vor Kurzem seine Frau, und Jana somit ihre Mutter, an Krebs verloren. Für die Behandlungskosten hatten sie alle Ersparnisse aufgebraucht und daher war weder die Lust für Weihnachten noch das nötige Geld für einen Baum oder dergleichen vorhanden.
„Hallo, Oma Katja“, riefen drei Mädchen ihr über den Zaun zu.
„Hallo, ihr Süßen. Diana, hast du deinen Schneemann gestern fertig gebaut?“ Katja wusste die Antwort bereits, da es nichts gab, was ihr in ihrem Viertel verborgen blieb.
„Ja, du musst ihn dir anschauen. Marie und Kitty haben mir geholfen.“ 
„Das werde ich, aber erst haben wir doch noch was zu erledigen. Nicht wahr, die Damen?“
Kichernd gingen die Mädchen zu Katja auf die Terrasse. 
„Können wir vielleicht reingehen? Mackie wäre auch viel lieber im Warmen.“ Marie steckte Mackie die Arme entgegen, woraufhin er langsam, sehr langsam in ihre Arme kroch.
„Wenn er sich nicht ein wenig beeilt, ist Marie bald festgefroren“, scherzte Kitty.
„Du weißt genau, dass er nicht schneller kann“, entgegnete Diana und zwinkerte Katja zu.
Nachdem Marie ihn endlich in den Armen hielt, beeilten sich alle, ins Haus zu gelangen.
„Setzt euch Mädels. Ich möchte nur noch mal mit euch die Liste durchgehen, damit wir auch nichts vergessen haben.“ Katja stellte jedem eine Tasse mit warmem Kakao auf den Tisch und begann, alles mit ihnen durchzusehen. 
„Das wird so toll“, schwärmte Diana, als sie mit der Planung fertig waren.
„Ja, oder?“ Kitty lächelte den schlafenden Mackie an.
„Das wird es und ihr drei könnt wirklich stolz auf euch sein. Ihr solltet jetzt nach Hause gehen, es wird langsam dunkel und morgen wird ein aufregender Tag für euch.“ Katja stand bedächtig auf und streckte ihren Rücken durch. „Langsam mache ich unserem Mackie wirklich Konkurrenz.“
Die Mädchen standen lachend auf und gingen zur Haustür. „Bis morgen, Oma Katja“. Als die Kinder die Türe hinter sich geschlossen hatten, kehrte die Stille ins Haus zurück. Gerade diese Jahreszeit zeigte ihr, wie einsam sie eigentlich war. 
„Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich friere immer noch. Was hältst du von einem kleinen Nickerchen auf dem Sofa vor dem Kamin?“ 
Als wenn Mackie sie verstanden hätte, ging er ihr nach und machte es sich bei Katjas Beinen gemütlich. Müde schloss sie ihre Augen und schlief ein.
Eine Bewegung zu ihren Füßen ließ Katja hochschrecken. „Was ist los, mein Lieber?“ Verwundert sah sie Mackie leise knurrend aus dem Fenster blicken. So ein Verhalten war sie von ihm nicht gewohnt, weshalb sie es ihm gleichtat.
„Weshalb brennt denn bei Tom Licht in der Garage? Ich war mir sicher, dass er sie nicht benutzt. Das sollten wir zwei uns wohl einmal ansehen, was meinst du?“
Katja zog sich ihren Mantel an und nahm sich eine Taschenlampe. „Vielleicht sollte ich dich lieber tragen?“ Überlegte sie laut, als sie die Haustüre öffnete.
Doch bevor sie den Gedanken zu Ende überlegen konnte, rannte Mackie förmlich auf das Haus zu und Katja hatte Mühe, ihm nachzukommen. 
Ein markerschütternder Schrei hallte durch die Straße und ließ Katja innehalten. Sie wusste, dass Mackie die Garage erreicht hatte. Die nächsten Laute verhießen nichts Gutes. 
Was auch die anderen Nachbarn gehört haben mussten, denn überall öffneten sich Haustüren. Auch Tom und Jana standen nun auf ihrer Veranda.
Bei Tom angekommen, versuchte Katja einen strengen Blick aufzusetzen, was angesichts der Situation gar nicht so einfach war. 
„Schau nicht so blöd, du alte Schachtel, nimm lieber das komische Vieh von mir weg“, schrie ein maskierter Mann, der auf einen Tisch geklettert war. „Der hat ja Krallen wie Messer. Meine Hose ist völlig im Arsch.“
„Wie gut, dass sie mir das sagen, wäre mir überhaupt nicht aufgefallen“, stellte Katja ironisch fest.
„Was ist hier los? Ist das ein Faultier?“, der irritierte Ton in Toms Stimme brachte Katja zum Lachen. 
Immer mehr Menschen versammelten sich vor der Garage, unter anderem auch Diana, Marie und Kitty sowie ein Polizist aus der Nachbarschaft.
„Würde mir jetzt mal jemand helfen und diesen Affen zurückpfeifen“, herrschte der Einbrecher in die Menge.
„Das ist ein Faultier!“, riefen die drei Mädchen wie aus einem Mund.
„Ich denke, das hat noch Zeit“, entgegnete Katja. „Aber Tom, wären Sie so lieb und würden mit Jana mal hierherkommen?“ 
Das junge Mädchen schaute schüchtern zu Boden, während sie sich an ihrem Vater festhielt. Katja streichelte dem Mädchen liebevoll durchs Haar. Auch Mackie spürte, wie unwohl sich Jana fühlte, weshalb er langsam auf sie zukam. Es war erstaunlich, wie aus dem aggressiven Mackie ein kuscheliges Faultier wurde. 
„Du brauchst keine Angst haben, er ist total süß“, erklärte Marie, die neben Oma Katja stand. 
„Wir wissen, dass Sie und ihre Tochter in den letzten Monaten viel durchgemacht haben. Hier, in dieser Straße, lassen wir keinen alleine. Deshalb ...“ Katja deutete auf die Garage, wo ein großer Weihnachtsbaum mit Geschenken und fehlenden Möbeln aufgestellt war. 
Mit offenem Mund starrte Tom in die Garage. „Aber ...“
„Wir wünschen Ihnen frohe Weihnachten. Ach, und nur damit sie Bescheid wissen. Um 18 Uhr morgen bei mir und seien Sie pünktlich.“
Zufrieden nahm Katja Mackie auf den Arm und machte sich auf den Weg zu ihrem Haus. Ihre Arbeit war getan. In wenigen Minuten wäre die Polizei vor Ort und würde den Einbrecher festnehmen.
Eine junge Stimme ließ sie noch mal zurückblicken.
„Hallo, Ma’m ... ähm. danke.“
Die darauffolgende Umarmung verschlug der sonst so schlagfertigen Katja die Sprache. Doch es war auch gar nicht notwendig zu antworten, denn in diesem Augenblick begann es wieder zu schneien und alle Anwesenden erkannten den Zauber des Augenblicks.